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MEDEVEC

 

... Ein winzig kleiner Hügel mit Sand und Stein am Rande des Trails. 

 

Wahrscheinlich war ich nicht mehr konzentriert genug da ich schnell zur nächsten Campsite wollte. Ich bin über die Straße und den Hügel hoch als ich um die Kurve wollt hab ich einen Schritt zu weit am Rande des Trails gemacht und bin ins Rutschen gekommen. Trotz des großen Rucksacks hab ich versucht gegen zuhalten (wahrscheinlich war genau das der Fehler) Da war es das altbekannte Gefühl. Am Anfang der Reise wusste ich nicht wie sich das Knie verhalten würde aber ich war mir sicher das die Kniescheibe bleibt wo sie hingehört. Das war wohl weit gefehlt... da saß ich nun neben dem Weg auf der Straße. Schockiert und im ersten Moment mit der Situation total überfordert. Was nun? zurück wandern, hier bleiben und warten bis jemand kommt oder doch weiter bis nach Kanada? Ein Teil von mir hat wohl etwas schneller verstanden was Sache ist als der Rest. Als ich versucht habe aufzustehen und weinend am Straßenrand stand musste auch der Rest von mir einsehen dass ich hier nicht alleine vom Fleck komme. Weder die 8 km Berg auf zurück bis zur nächsten echten Straße noch weiter auf dem Trail waren mit dem Bein möglich. Da es schon 18 Uhr war und ich nicht mal mehr 2 Stunden Tageslicht hatte musste ich mich schnell für eine Lösung entscheiden. Ich muss gestehen es hat mich viel Überwindung gekostet an meinem Garmin inreach den SOS Knopf zu drücken (ich hatte den ganzen Tag kein Empfang über mein Handy). Nicht mal eine Minute später kam die erste Nachricht die mein SOS Signal bestätige. Ich wollte diesen Knopf eigentlich niemals in meinem Leben drücken müssen aber ich war dennoch sehr froh wie einfach und gut die Kommunikation mit dem GPS Gerät funktionierte. Da mein Garmin über Bluetooth mit meinem Handy verbunden ist konnte ich ganz einfach an meinem Handy mit der GEOS Notfallszentrale in Kontakt bleiben. Die haben gleich nachgefragt um was für eine Art Notfall es sich handelt ob meine Position stimmt und haben mich weiterhin auf dem Laufenden gehalten. Während ich auf meine Rettung wartete habe ich auch über mein Garmin mit meiner Mama geschrieben und erfahren dass die GEOS Menschen auch mit Ihnen in Kontakt getrennt waren. Im Nachhinein bin ich positiv überrascht über den einwandfreien Service und für die Zukunft bin ich wahrscheinlich doch etwas beruhigte da ich weiß wie gut abgesichert man über dieses Gerät ist.

 

Nach etwas mehr als einer Stunde wurde ich informiert das man mich mit dem Helikopter retten wird und das sowohl das Sheriff Departement als auch ein Rescue Team auf dem Weg zu mir ist.

 

Die Sonne ging langsam unter und es wurde sehr schnell sehr kalt. Ich war kurz davor mir  meinem Schlafsack anzuziehen als ich den ersten Helikopter hörte. Da es inzwischen schon dunkel war und damit meine Pink Puffy nicht mehr zu sehen war, fing ich an wie wild mit meiner Taschenlampe rum zu wedeln. Der Sheriff Helikopter leuchtete mit seinem Scheinwerfer genau auf mich und über Lautsprecher teilte er mir mit genau da zu bleiben (als hätte ich was anderes vorgehabt). Er flog Kreise um mich und leuchtete immer wieder auf die Straße und mich. Ich dachte zu dem Zeitpunkt das wahrscheinlich gleich der Krankenwagen oder so um die Kurve kommt. Ganz im Gegenteil... Der Sheriff Helikopter drehte ab und im selben Moment war ein weiterer Helikopter über mir. Auch er begann in kreisenden Bewegungen immer näher an mich ran zu fliegen. Er stand für einen Moment direkt über einem der Bäume und machte sich langsam immer näher in meine Richtung. Er ging dabei immer etwas tiefer runter und als er direkt über der Straße schwebte versucht ich mich an meinen Rucksack zu kuscheln und mein Gesicht zu verdecken (durch den Wind der Propeller wurde der ganze Sand aufgewirbelt und flog mir ins Gesicht). Plötzlich hörte ich ein leises Klick links neben mir und der Wind und der Krach wurden weniger. Neben mir stand eine große dunkel gekleidete Gestalt. Im ersten Moment war das sehr einschüchternd vor allem weil man durch den Helm mit der Maske und einer Brille eigentlich nichts von seinem Gesicht gesehen hat. Das erste was er mich fragt war ob ich Marie bin, nicht das sie jemand falschen aufsammeln. Dann fragte er nochmals wo ich verletzt bin und wie es mir im Moment geht. Zwischendurch murmelte er immer wieder die neusten Informationen in seinen Helm.  Dann überbrachte er die für mich schockierende Nachricht überhaupt!  Ich werde mit einem Seil in den Helikopter gezogen!!!  (ich naiv wie ich manchmal bin dachte der Helikopter sei noch auf der Suche für einen schönen Landeplatz auf der Straße) 

 

Als wäre ein kaputtes knie nicht schon schlimm genug wollen die tatsächlich das ich in der Luft unter einem Helikopter baumel!  Die Amis sind definitiv verrückt. Ich hatte die eigentlich gerufen um mich zu retten nicht um mich umzubringen!!! 

 

Er versuchte mich mit dem Kommentar das ich heute schon die 3 bin die er auf die Art und Weise gerettet hat zu beruhigen und legte mir dabei einen komischen Anzug an. Er fragte mich wie schwer der Rucksack ist und entschied sich den Rucksack zuerst alleine hoch zuschicken( nicht weil er so schwer war sondern weil es einfacher zu handhaben war). Als der Helikopter zurückgekommen ist um meinen Rucksack zu holen hat es mich fast umgeworfen, ich hatte nie gedacht dass es so windig direkt neben einem Helikopter sein kann.

 

Der Helikopter dreht wieder ab und ich bekam das weiter vorgehen erklärt. Ich werde den Anzug die ganze Zeit bis zur Landung anhaben und es  wird sehr laut sein. Ich werde gemeinsam mit dem Kerl hochgezogen und wenn wir am Helikopter angekommen sind soll ich nach einem gelben Seil Ausschau halten. Wenn ich das Seil sehe soll ich mich darüber in den Helikopter ziehen. Im Helikopter ist noch ein weiterer Mensch der mir dabei helfen wird. So weit so gut (also eigentlich nicht weil ich befürchte mich jeden Monat zu übergeben und in die Hose zu machen) 

 

Der Helikopter kam zurück und weil es wieder so windig war habe ich am Anfang nichts gesehen und dann auch eigentlich nichts mehr hören können. Dann merkte ich wie der Anzug fest an meinem Popo drückt und zack war nichts mehr unter meinen Füßen. Das erste was ich sehen konnte war die Straße unter mir und dann der Baum der gefährliche nahe kam. Ich muss zugeben ich war heil froh das es schon ziemlich dunkel war und ich nicht alles sehen konnte und wahrscheinlich (ich bin mir zu 100% sicher) hab ich mich noch nie zuvor so dolle an einem mir völlig fremden Menschen festgehalten. Als ich endlich im Helikopter war konnte ich zum letzten Mal die wunderschöne Landschaft bestaunen. Auf der einen Seite des Helikopter konnte man noch ein Stück dunkel roten Himmel bestaunen wären auf der anderen Seite langsam die Lichter von Lancaster zu sehen waren. 

 

Am Krankenhaus angekommen standen schon 4 Leute bereit um mich abzuholen. Ich war sehr erstaunt als 5 Leute gleichzeitig an mir rum wurschtelten. Die Leute wiederum waren sehr überrascht dass ich alles so gut verstand als ich Ihnen sagte dass ich aus Deutschland komme. Die beiden aus dem Helikopter verabschiedeten sich noch von mir und als sich der erste große drubel um mich gelegt hatte versuchte ich erstmal meine Eltern zu erreichen.

 

Da zu dem Zeitpunkt fast 3 Stunden vergangenen waren war ich langsam wieder etwas gelassener und muss sagen die Ärzte und Schwestern dort waren sehr freundlich. Es Sprache sich schnell herum das ich geplant hatte bis nach Kanada zu wandern. Der ein oder andere war selbst schon mal auf dem PCT unterwegs und so war immer wieder mal jemand bei mir der alles ganz genau wissen wollte. Wayeth einer meiner Pfleger musste am eigenen Körper erfahren wie schwer so ein Rucksack sein kann (die Schwestern wollten den Rucksack nicht bis in mein Zimmer tragen also musste er ran). Ich habe mich den Umständen entsprechend gut gefüllt und fand es super wie man sich um mich gekümmert hat (man hat mir gesagt dass ich eine sehr freundliche und pflegeleichte Patientin bin, das wird anscheinend gern gesehen). 

 

Wie sich herausstellte ist meine Kniescheibe rausgesprungen mein Knie ist aber nicht verletzt. Ich habe eine Schiene bekommen und damit ich die ersten Tage überlebe auch noch ein Satz Krücken. Das Knie soll ich die nächsten 1-2 Wochen so wenig wie möglich belasten.

 

Da das Risiko besteht das mir die Kniescheibe wieder rausrutscht, ich mich dabei verletzen könnte (vor allem weil ich noch Schrauben im Knie habe) und der Trail dieses Jahr durch den ganzen Schnee noch anstrengender und gefährlicher ist musste ich mich schweren Herzens dazu entschieden nicht weiter zu machen. 

 

Auch wenn es mein Traum ist nach Kanada zu wandern muss ich wohl einsehen das Teile meines Körpers nicht dafür ausgelegt sind.

 

Ich gehe nicht davon aus das ich zurückkommen werde um den Trail zu beenden.

 

Im Moment bin ich in Los Angeles und warte auf meinen Heimflug.

 

Inzwischen sind einige Tage vergangen aber ich weiß immer noch nicht so recht wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich habe so viel Zeit und Planung in die Verwirklichung meines Traums gesteckt und jetzt ist es einfach aus und vorbei. 

 

Ich bin sehr dankbar darüber dass so viele Leute mir ihre Unterstützung gezeigt haben und ich fand es sehr schön zu sehen wie viele Leute Interesse an meiner Reise gezeigt haben. Leider macht das meine Entscheidung noch schwerer für mich. Versteht mich nicht falsch auch wenn man von Anfang an die Leute zu Hause vermisst hatte ich gehofft keinen so schnell wieder zusehen.

 

 

 

Erklärungen:

 

Garmin inreach /GPS  Gerät Ein Satelliten gestütztes GPS Gerät mit einem SOS Knopf. Über Bluetooth mit dem Handy verbunden ermöglicht es SMS zu versenden selbst wenn man keinen Handy Empfang hat, Karten und Strecken anzusehen und meinen Eltern zu zeigen wo ich mich aufhalte.

 

GEOS Ist eine Firma bei der man, wenn man ein GPS Gerät mit SOS Funktion hat, einen Vertrag abschließen kann der Bergungs und Rettungskosten abdeckt.

 

Puffy ist eine super leichte und super warme Daunen Jacke 

 

Thru-Hiking will break your heart !!!
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Kommentare: 3
  • #1

    Mama (Donnerstag, 09 Mai 2019 16:08)

    Hallo mein Schatz! Bin sehr traurig das dein Traum vom langen Weg nach Kanada zu Ende ist. Es sollte vielleicht eine Warnung vom großen Manitu sein, das du nicht durch seine Berge laufen sollst. Ich möchte dich wieder froh sehen. Du hast drei Fahrräder die von dir bewegt werden wollen..... Europa kann mann gut mit dem Rad erfahren und viele schöne Tage erleben. Das weißt du ja. Wir sind mehr als froh das dir nicht noch mehr passiert ist. Kuss von Mama�

  • #2

    Joe (Freitag, 10 Mai 2019 14:58)

    Kopf hoch, es gibt noch andere tolle Dinge, die auf dich warten... und gute Besserung. LG Joe

  • #3

    Ireland (Samstag, 11 Mai 2019 02:44)

    Kopf hoch - immer nach vorne blicken ... und man kann übrigens auch von México nach Kanada radeln ... auf dem Pacific Coast Trail �